(8) Durch Rentierzuchtgebiete auf nach Hammerfest

In Finnland geht unser Puls öfter mal schnell nach oben. Nicht nur, weil wir endlich an eine Internet Sim gekommen sind, sondern auch weil ganz Nordfinnland ein Rentierzuchtgebiet ist - und wir mittendrin. Sie sind einfach überall: am Wald- und am Fahrbahnrand, auf der Straße; sie fressen, sie liegen, sie rennen und schauen fürchterlich drollig dabei aus.

Viele von ihnen wollen die Straße nicht einmal überqueren, sondern schlendern ganz gemächlich auf ihr entlang. Natürlich mittig der Fahrbahn, wo auch sonst. So manch ein Fahrer muss da auch mal dem Geweih bei Schrittgeschwindigkeit ausweichen, damit der Lack keinen Schaden nimmt. Wir bleiben einfach stehen und warten bis das Spektakel vorüber ist.

Unser Navi ändert mehrfach die Ankunftszeit um plus eine Stunde.

Aufgrund der Zeitumstellung in Finnland kommen unsere Uhren auf der Strecke öfter mal durcheinander, da wir sehr nah an der schwedischen Grenze unterwegs sind.


In Kilpisjärvi passieren wir die Grenze zu Norwegen.

Es wird still im Auto, wir sind hin und weg von der sich plötzlich verändernden Landschaft. Wir sind umgeben von rauer und teils karger Natur. Die Sonne hüllt die wolkenverhangenen Berge in ein besonderes Licht, in der Ferne regnet es. Eine eindrucksvolle Fotokulisse!

Vorbei an den norwegischen Alpen und an rauschenden Wasserfällen, erreichen wir nach vielen Kilometern und mehreren Übernachtungen Hammerfest, die nördlichste Stadt der Welt. Die Stadt wirbt immer noch mit dem Slogan, obwohl es mittlerweile weiter nördlich neue Städte und Siedlungen wie Honningsvåg oder auch Longyearbyen auf Spitzbergen gibt.


Hammerfest wurde von Kriegen und Katastrophen nicht verschont.  1807 wurde Nordnorwegen von Schweden beherrscht und somit auch in den Napoleonischen Krieg hineingezogen. Englische Kriegsschiffe plünderten die Stadt und bombardierten sie. Wenige Jahrzehnte später fegte ein Sturm über die Stadt, ein Feuer brach aus und große Teile des Hafens wurden zerstört. Im 2. Weltkrieg wurde die Stadt vollständig ausgelöscht. Insgesamt drei Mal wurde die Stadt mit Hilfe der Bevölkerung wieder aufgebaut.


Hammerfest ist die erste Stadt in Europa, die im Jahr 1891 eine elektrische Straßenbeleuchtung aufgrund der andauernden Dunkelheit im Winter erhalten hat. Die Polarnächte beginnen hier in diesem Jahr am 22. November und enden am 19. Januar 2023, in dieser Zeit gibt es keinen Sonnenaufgang. Dafür geht sie von Mitte Mai bis fast Ende Juli nicht unter, zu der Zeit steht die Mitternachtssonne dauerhaft am Himmel. Aufgrund des atlantischen Golfstroms bleiben die Temperaturen im mäßigen Bereich und das Meer im Winter eisfrei. Im 18. Jahrhundert war die Stadt Zentrum des Walfangs und der Robbenjagd, heute besteht der Arbeitsmarkt hauptsächlich aus der Öl- und Gaswirtschaft.


2019 kam ein zutraulicher Belugawahl in den Hafen von Hammerfest, er trug einen Gurt mit der englischen Aufschrift "Ausrüstung St. Petersburg". Man glaubte, der Wal sei zu Spionagezwecken ausgebildet worden, beweisen konnte man es aber nicht. Die Norweger haben den kleinen ca. 500 Kilo schweren Kerl liebgewonnen. In einer Umfrage haben 25.000 Menschen abgestimmt und ihm den Namen Hvaldimir gegeben. Es ist ein Kunstwort, dass sich aus dem norwegischen Wort für Wal (hval) und dem Vornamen des russischen Präsidenten zusammensetzt.


Und was macht man sonst so in Hammerfest? Also wenn ihr uns fragt, erstmal einkaufen. Thorsten freut sich über ein neues USB Kabel und ein Stativ für unsere Kamera aus dem Elektrofachmarkt, für mich gibt es eine Jacke und schnelltrocknende Handtücher aus dem Sportoutlet und Teddy ist gespannt auf  seine neuen Leckerchen aus dem Jagdshop.

In Forsøl bei Hammerfest finden wir ein wunderschönes Fleckchen Erde zum Verweilen. Ein unbefestigter Parkplatz direkt am Fjord. Zu unserer Überraschung kommt mehrmals am Tag die dort lebende Rentierherde an unserem Camper vorbei gelaufen. Bei dem Ausblick macht das Pizzabacken gleich doppelt Spaß. 

Bei einem Spaziergang entdecken wir unweit unseres Schlafplatzes eine Stätte mit Überresten mittelalterlicher Ruinen. Für uns sind es eigentlich nur mit Gras überwachsenen Steine, aber bei genauerem Hinschauen, kann man tatsächlich Umrisse von Häusern erkennen. Der Weg führt weiter über einen Holzsteg und endet an einem wunderschönen weißen Sandstrand, in dem Teddy ausgelassen herumtollt.

Das Wasser ist türkisblau und lädt zu einem verlockenden Bad ein. Wer kann schon von sich behaupten in der nördlichsten Stadt der Welt baden gewesen zu sein?

Bei 10.4 Grad Wassertemperatur wagen wir den mutigen Sprung ins a…kalte Nass.

Manchmal muss man einfach über seinen Schatten springen und seinen inneren Schweinehund besiegen.

Momente, die man nie vergisst!