(5) Spontan mal abgebogen - die Vildmarksvägen
In Strömsund entdecken wir die Vildmarksvägen, zu deutsch Wildnisstraße, und biegen spontan links ab.
Die Straße ist insgesamt 500 km lang und die höchste asphaltiere Straße Schwedens, welche nur vom Juni bis Mitte Oktober zu befahren ist.
Wir entscheiden uns für die Strecke Störmsund - Gäddede - Vilhelmina und fahren über das Stekenjokk-Plateau. Uns erwarten 370 km pure Wildnis durch das nördliche Jämtland und südliche Lappland.
Wir erleben eine traumhafte und verwunschene Welt mit unzähligen Seen und einer wunderschönen Berglandschaft. Nur hier und da steht mal ein Häuschen. In manchen Momenten fühlt es sich an, als wäre die Straße gesperrt, wir sind fast ganz alleine unterwegs und nur ab und zu kommt uns ein Auto entgegen. Handyempfang gibt es hier nicht.
Als wir die Baumgrenze passieren, ändert sich das Wetter schlagartig. Regen und so starker Wind, dass uns beim Aussteigen fast die Tür aus der Angel fliegt.
Die Landschaft ist rau und unberührt. Auf uns wirkt sie total unwirklich und irgendwie mystisch.
Wir erreichen den höchsten Punkt von 876 Metern über Normalnull auf dem Stekenjokk-Plateau. Es ist wahr, wir sind tatsächlich in Lappland angekommen. Wir können es kaum glauben, dass wir schon so weit gefahren sind.
Bis 1989 gab es auf dem Plateau eine aktive Kupfermiene, heute ist es ein Naturschutzgebiet.
Als wäre das alles für uns nicht unwirklich genug, taucht plötzlich vor uns eine Herde Rentiere am Straßenrand auf. Die Tiere lassen sich durch vorbeifahrende Autos nicht aus der Ruhe bringen und genießen ihre Mahlzeit. Wir trauen unseren Augen nicht und es fühlt sich für uns an wie im Märchen.
Mit solch einem schönen Erlebnis hätten wir nicht gerechnet, da wir noch ein ganzes Stück vom Polarkreis entfernt sind.
Umso glücklicher sind wir über die Erfahrung diese wunderschönen Tiere in dem doch sehr rauen Lebensraum gesehen zu haben.
Rentiere haben übrigens auf allen Wegen und Straßen Vorfahrt. Immer! Sie leben zwar in freier Wildbahn, jedes Tier ist aber einem Besitzer durch eine individuelle Ohrmarkierung zuzuordnen. Die Rentierzucht ist ausschließlich der Urbevölkerung des hohen Nordens vorbehalten, den Samen. In den eisigen Regionen Lapplands, das sich nördlich des Polarkreises über Teile von Norwegen, Schweden, Finnland und der russischen Halbinsel Kola erstreckt, leben heute noch ca. 70.000 Sami. Allein 20.000 davon leben in Schweden.
Wenn man einen Sami fragt, wie viele Tiere in seinem Besitz sind, hört man immer nur: es sind eine Menge.
Allein in Schweden gibt es über 200.000 Rentiere und 1/3 von Schwedens Fläche ist sogenanntes Rentierzuchtgebiet.
Am Abend bekommen wir unser Lächeln kaum aus dem Gesicht. Wir übernachten in Saxnäs und träumen in der Nacht von unserem Erlebnis auf dem Plateau und den unglaublichen süßen Rentieren.
Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass wir vor lauter Abenteuer doch wirklich vergessen haben zu Tanken. Auf dem Weg nach Vilhelmina, das noch 80 Kilometer entfernt liegt, hoffen wir auf eine Tankstelle. Vergeblich.
Stattdessen gibt es so viele Plätze an denen wir noch anhalten um Fotos zu machen und die Eindrücke auf uns wirken zu lassen. Eine Pause legen wir am Trappstegforsen (Treppenstufenwasserfall) ein und genießen die ungewöhnliche Aussicht auf einen doch sehr besonderen Wasserfall.
Nach weiteren Motor-An-Motor-Aus-Momenten, erreichen wir mitten im Nirgendwo eine Tankstelle. Um ehrlich zu sein, ist sie so unscheinbar, das wir erstmal daran vorbeifahren. Der nette Besitzer macht uns den Tank wieder voll, sodass wir sicher unser nächstes Ziel erreichen können. Wir sind uns ganz sicher, das passiert uns kein weiteres Mal.