(24) Aufbruchstimmung

Der Tag der Abreise rückt näher. Die Stimmung und Gefühle sind gemischt. Natürlich freuen wir uns nun wieder aufs Campen und darauf, mit dem Van wunderschöne, entlegene Orte zu erkunden. Aber irgendwie fällt uns der Abschied von Schweden und dem Winter dennoch schwer. Wir haben uns hier oben sehr wohlgefühlt und sind noch näher zusammengerückt, als je zuvor. Unsere Reise soll weitergehen. Mit im Gepäck haben wir wundervolle Erfahrungen, die zu besonderen Erinnerungen werden.

Irgendwie können wir es selbst nicht so ganz fassen. Wir waren tatsächlich fast ein halbes Jahr in Schweden. Erst im Frühjahr 2021 sind wir in eine neue Wohnung gezogen. Knapp 1,5 Jahre später in unseren Camper. Dann in unsere Wohnung auf dem Campingplatz, und jetzt spielt sich unser Leben wieder auf kleinstem Raum ab. Unfassbar, wie oft wir umgezogen sind.

In den letzten Tagen vor der Abfahrt ist unser Vierbeiner unausstehlich. Veränderung lässt ihn unsicher werden und Unordnung kann er überhaupt nicht ausstehen. Er wandert unruhig umher, während wir unser Hab und Gut völlig neu sortieren. Es geht wieder los, Thorsten hat spontan ein komplett neues System für die Heckgarage entwickelt und verbringt gefühlt etliche Stunden damit, alles neu zu sortieren. Auch neue Boxen müssen her. Am Ende des Tages hat alles seinen festen Platz und nur darauf kommt es an.

Der Fahrzeugservice ist gemacht, und auch die Räder sind schon gewechselt. Die Terminvereinbarung für den Reifenwechsel in Schweden war ein Erlebnis und ist ungefähr so abgelaufen:
-Wir hätten gerne einen Termin zum Reifenwechsel.
-Kein Problem, habt ihr die Reifen dabei, dann könnt ihr gleich da bleiben?
-Freitag kommende Woche wäre super für uns.
-Einen Termin für Freitag?
-Kein Problem. Bis Freitag dann!
-Wann sollen wir da sein?
-Wir sind von 8 bis 16 Uhr da. Kommt gerne vorbei, wenn es für euch zeitlich passt, bitte nur nicht in der Mittagspause, die ist von 11 bis 12.

Alles ist fertig zum Einräumen, aber die Temperaturen liegen tagsüber bei -22 Grad und da wir keinen Termin haben, bleiben wir noch. Nordschweden will uns wohl noch nicht gehen lassen. Wir warten also ab, bis die Temperaturen ein wenig mäßiger sind.

Ein paar Tage später ist es dann so weit. Die Temperaturen sind zwar immer noch im kleineren zweistelligen Minusbereich, aber dank der Sonne, die schon ordentlich Kraft hat, brauchen wir keine Gasheizung. Nachdem alle Flächen geputzt sind, wird alles ordentlich in den Schränken verstaut. Mittlerweile hat alles seinen festen Platz, daher dauert das Einräumen auch nur wenige Stunden. Wir müssen lachen, wenn wir an den Start unserer Reise denken. Warum hat das Einräumen damals nur so lange gedauert?

Als kleinen Abschied haben sich die beiden Campingplatzbesitzer, Daniel und Verena, etwas ganz Besonderes für uns einfallen lassen. Bei angenehmen -10 Grad sitzen wir gemeinsam auf der sonnigen Terrasse und schlürfen einen leckeren Schümli-Pflümli, ein Schweizer Apres-Ski Getränk, dass auch ganz gut ohne Wintersportaktivitäten schmeckt. Wir lassen den Winter und die Erlebnisse Revue passieren, während um uns herum dutzende kleine Vögel zwitschern. Obwohl es noch so kalt ist, sprießen sogar die ersten Knospen an den Ästen der verschneiten Bäume.

Der Van ist mittlerweile fertig gepackt und auch unser Apartment, das ein wundervolles Winterquartier war, wieder auf Vordermann gebracht.
Obwohl wir uns in der kleinen Wohnung in den ersten Tagen nach Einzug ziemlich verloren vorkamen, haben wir uns doch über den Winter daran gewöhnt.
Wir sind gespannt, wie lange es dauert, bis wir uns wieder an unser Einraum-Zuhause auf Rädern gewöhnt haben.
Noch vor der ersten Nacht hat sich jeder von uns beim Umdrehen im Gang den Kopf oder Ellenbogen angestoßen. Auch der Hund blieb nicht verschont.
Während es draußen -22 Grad hat, hat es im Camper eine annehme Temperatur. Das Thermometer haben wir auf 15 Grad programmiert und das Fenster einen Spalt breit geöffnet. Wir kuscheln uns zusammen und fallen in unserer ersten Nacht zurück im Van in einen sehr tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen sind alle fit und ausgeruht. Trotz der eisigen Temperaturen war es eine sehr erholsame Nacht.
Heute geht es los: Wir fahren in den Süden. Bevor wir starten, wird erstmal der Wassernapf umgetreten. Normalerweise bin ich diejenige, die schusselig in den Tag startet, dieses Mal war es aber der Hund.
Zum Glück liegt an der Schiebetür wie immer ein Handtuch parat, sodass alles schnell aufgewischt werden kann. Die Worte, die da am frühen Morgen schon gegen 6 Uhr geflucht werden, vergessen wir schnell wieder, als wir die Tür aufmachen. Uns scheint die Sonne ins Gesicht, und wir lassen unseren Blick ein letztes Mal über die schneebedeckte Landschaft schweifen. Es hat immer noch minus 22 Grad und meine Haare frieren durch den Atem direkt ein. So wird es also aussehen, wenn meine Haare mal komplett weiß sind. Gar nicht mal schlecht. Und allzu lange wird das wohl auch nicht mehr dauern, wenn ich mir die Entwicklung auf meinem Graukopf so ansehe.

Nach einem sehr herzlichen Abschied, versorgt mit selbstgemachter Marmelade und einem kleinen Fliegenpilz aus Glücksbringer, starten wir den Motor. Vor uns liegen knapp 5000 Kilometer in Richtung Süden.
Wir starten wieder ins Ungewisse. Wir wissen nicht, an welchem Ort wir heute Abend schlafen werden.
Das Abenteuer unterwegs geht weiter. Doch was wäre Campen, ohne ständig eine Aufgabe zu haben? Wir müssen noch die Gasflaschen tauschen, tanken und die Reifen kontrollieren.

Unser Gasspezialist, den wir mittlerweile auch schon besser kennenlernen durften, nimmt uns zum Abschied in den Arm und wünscht uns alles Liebe für die Reise. Die Gasflasche bekommen wir als Geschenk und er freut sich schon auf Fotos von Palmen am Strand, die er sich dann anschaut, während der Schnee in Schweden langsam dahinschmilzt.

Ein Glück, dass Thorsten die Reifen und den Reifendruck in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Aus einem Ventil entweicht Luft.
Die Werkstatt, die uns erst vor ein paar Tagen die Räder gewechselt hat, ist gerade um die Ecke und kann das Problem schnell beheben. Es stellt sich heraus, dass die Ventilnadel aufgrund der Kälte der letzten Tage gebrochen ist. Zur Sicherheit werden alle Stifte erneuert, bevor es dann endlich losgeht.

Während wir Kilometer für Kilometer zurücklegen, fällt uns auf, dass wir seit knapp sechs Monaten über keine Ampel mehr gefahren sind. Auf der Strecke in Richtung Südschweden wird der Verkehr immer dichter. Obwohl es auf den Straßen im Vergleich zu Deutschland noch gemächlich zugeht, müssen wir doch oft die Augen verdrehen und sind in den Städten mit all den Autos ziemlich genervt. Für einen kurzen Moment überlegen wir sogar, wieder umzudrehen. Was war das schön auf Nordschwedens einsamen Straßen!
Leider trägt das Wetter in keiner Weise zur Stimmungsaufhellung bei. Je weiter wir in Richtung Süden fahren, desto matschiger wird es.
Unserer Erfahrung nach, fängt für uns Schweden erst in Nordschweden an, daher beschließen wir den Rest des Landes schnell hinter uns zu lassen. Wir legen am ersten Tag knapp 600 Kilometer zurück. Thorsten vergleicht den Abschied vom hohen Norden mit einem Pflaster, das man ganz schnell abreißt. Wir finden einen Platz, einige Kilometer südlich von Sundsvall. Die Besitzer sind sehr gastfreundlich und lassen uns hier kostenlos übernachten, denn eigentlich hat der Platz noch keine Saison und ist geschlossen. Und wieder zeigt sich die unermüdliche Hilfsbereitschaft der Schweden.

Unsere Fahrt geht weiterhin über die E4 in Richtung Südschweden. Wir steuern eine Bisonfarm am Vätternsee an. In wenigen Stunden durchqueren wir alle vier Jahreszeiten und begegnen sogar einem riesigen Osterhasen, der im Schnee auf einer Verkehrsinsel aufgebaut wurde. Am Morgen lacht die Sonne bei strahlend blauem Himmel, zwischendurch wird unser Auto von Regen gewaschen, und am Mittag geraten wir in ein kleines Schneegestöber. Für Südschweden war es wohl eher ein Schneesturm, denn der Straßenverkehr kommt stellenweise zum kompletten Stillstand. Viele schleichen mit ihren Fahrzeugen vor sich hin und nicht wenige davon landen im Graben. Nordschweden hat uns gelehrt, wie man auch auf vereisten Straßen gut vorankommt. Schon jetzt vermissen wir unsere Spikereifen, die uns bei dem Schneematsch auf den Straßen aber sicher auch nicht weitergeholfen hätten.
Das Wetter könnte unbeständiger nicht sein, und plötzlich sind wir am Vätternsee umgeben von grüner Landschaft.
Wir fahren vorbei an kleinen verwunschenen Gärten und riesigen Feldern, auf denen mittlerweile ein frühlingshaftes Treiben herrscht. Viele Vögel sind zurück aus dem Süden, um ihr Sommerquartier hier oben in Skandinavien wieder aufzuschlagen. Wir entdecken Singschwänen, Wildgänsen und die ersten Kraniche. Auch viele Rehe schauen uns mit ihren drolligen Augen an, während sie in Gruppen nahe der Straße stehen und genüsslich von den Feldern naschen.
Als wir auf der Farm ankommen, werden wir von Schneeregen überrascht. Es ist windig, matschig, und Teddy sucht die letzten Zeichen des Winters und rollt sich in einem kleinen Schneehaufen. Vom Gras will er bisher nichts wissen und er wirkt auf uns ein wenig depressiv. Die frische Land- und Bauernhofluft atmen wir tief ein und bestaunen bei einem Spaziergang die wunderschöne Bisonherde, die uns aus der Ferne skeptisch beäugt. Draußen ist es ziemlich ungemütlich und so beschließen wir uns drinnen einen schönen Abend zu machen.
Die Farm haben wir komplett für uns alleine, nicht einmal den Besitzer bekommen wir zu Gesicht. Sicher lacht er immer noch über meine Frage, ob wir die Zufahrt zu seinem Hof ohne Spikereifen problemlos hochkommen. Kein Wunder, denn hier liegt ja schon eine ganze Weile kein Schnee mehr.

Nach Monaten ist es nun an der Zeit den Wasserhahn im Camper wieder in Betrieb zu nehmen. Bei 20 Grad Minus sind wir mit leeren Tanks losgefahren. Jetzt gilt es herauszufinden, ob alle Leitungen den strengen Winter gut überstanden haben.
Nachdem Thorsten frisches Wasser aufgefüllt hat, stehen wir voller Aufregung vor den Wasserhähnen. 3,2,1, – Wasser-Marsch. Wir freuen uns riesig, das Wasser läuft und in den Schränken bleibt alles trocken. Nach einer Nacht mitten im Nirgendwo verabschieden wir uns nicht nur von den Bisons, sondern auch von Schweden. Wir wollen heute bis nach Dänemark. Wir haben uns entschieden, komplett über Land zu fahren. Die Fähren waren einfach zu teuer. Thorsten fährt seit Nordschweden die gesamte Strecke. In Malmö überlegt er zum zweiten Mal, einfach wieder umzudrehen. Der Verkehr ist kaum auszuhalten. Bei der Fahrt im letzten Jahr haben wir das gar nicht so wahrgenommen. Wir passieren erneut die Öresund und die Große-Belt-Brücke.
In Kopenhagen sind wir gänzlich nassgeschwitzt, denn der Verkehr kommt einem Albtraum gleich. Auch der Fahrstil wird von Kilometer zu Kilometer aggressiver. Das Radio spielt für uns nochmal ein paar schwedische Hits von ABBA und wir überlegen nun zum dritten Mal, ob das nicht ein Zeichen ist.

Völlig fertig von der Fahrt, suchen wir uns einen Schlafplatz für die Nacht. Wir lassen den Tag nochmal Revue passieren und probieren eine kleine Auswahl an dänischen Leckereien. Das Wetter ist kalt, grau und matschig.
Am nächsten Morgen fahren wir zum Autostrand in Rømø. Wir folgen dem Rat der Einheimischen und fahren bis fast zum Ende durch. Bis zum Wasser trauen wir uns dann aber doch nicht mit unseren vier Rädern. Nicht selten bleiben viele Fahrzeuge hier stecken.
Wir möchten am Meer spazieren und einen Kaffee trinken. Es ist gerade Ebbe, es ist windig und es regnet. Teddy findet die Konstellation gar nicht gut und verzieht sich nach einer kleinen Runde direkt wieder in sein Körbchen. Wir genießen unseren Kaffee und lassen uns den Wind um die Nase wehen. Was schert uns dieses Schmuddelwetter? Wir haben zeitlich ziemlich Glück, kaum ist die Tasse ausgetrunken, fängt der Regen erst richtig an, und am Strand stehen immer mehr Autos. Zeit, die Düse zu machen. Viele Menschen sind einfach nicht unser Ding.


Für uns geht es weiter nach Deutschland. Nur zur Durchfahrt und nur für einen kurzen Zwischenstopp.

Wir besuchen unsere Freunde im Norden. Lange haben wir uns nicht gesehen, und es ist doch immer am schönsten, wenn man sich trifft und es sich wie gestern anfühlt. Nach einem wunderschönen Abend geht für uns die Reise weiter in Richtung Niederlande. Doch bevor es losgeht, wirft Thorsten, wie könnte es anders sein, nochmal einen Blick in die Heckgarage. Nachdem er seinem Optimierungszwang nachgegangen ist, heißt es für uns: HOLLAND WIR KOMMEN!


Share by: