(21) Fröhliche Weihnachten - God Jul!

Viele haben uns dabei geholfen, eine Bleibe für den Winter zu finden. Wir hatten die Option auf ein kleines rotes Schwedenhäuschen, und es hat sich die Möglichkeit aufgetan, länger auf einer Huskyfarm zu bleiben, um dort als Doghandler über den Winter auszuhelfen. Manchmal aber fügen sich die Dinge, werden zu Selbstläufern und dann kommt es doch anders als ursprünglich geplant. So auch in diesem Fall. 

Der Schlüssel für das kleine Häuschen wurde von der Post vergessen und verspätet sich. So haben wir nach unserer Auto-Föhn-Aktion bei -13 Grad beschlossen, unserem Bauchgefühl zu folgen und nicht länger auf den Schlüssel zu warten. Denn am Ende klappt es vielleicht doch nicht, und wir stehen ohne eine passende Bleibe da.

 

Wir sind wieder in Sangis und ziehen dort in ein kleines, schnuckeliges Appartment. 

Nachdem wir im Camper mehrere Wochen bei stellenweise eisigen Temperaturen durchgehalten haben, freuen wir uns auf ein gemütliches Winterquartier, das wir uns mit all unseren Sachen aus dem Camper gemütlich einrichten.

 

Nachdem alle Schränke geleert, Aufbewahrungskörbe und Kisten ausgeräumt und in der Wohnung verstaut sind, machen wir das Auto winterfest. Alles wird nochmal ordentlich ausgewischt, das Kühlfach abgetaut, alle Tanks geleert. Während das richtige Packen und Verstauen bei Beginn unserer Reise mehrere Tage in Anspruch genommen hat, ging das Ausräumen rasend schnell. Nach knapp 3 Stunden ist alles fertig, und wir freuen uns auf unseren ersten Abend im neuen Heim auf Zeit. Wie es bei einem Umzug schon Tradition ist, gibt es für jeden eine Tiefkühlpizza und ein kühles Blondes zum Abendessen.

 

Jetzt heißt es erstmal Ankommen und die Weihnachtszeit in Schweden genießen. Was könnte als Einstimmung besser sein als das Aufstellen des diesjährigen Weihnachtsbaums im Dorf? Wir lernen an dem Abend einige sehr liebe Menschen kennen. Teddy ist auch dabei und übt Gelassenheit. Wir stehen ein wenig abseits der Menge mit seinem neuen Hundekumpel Lutz. Er ist schon ein älterer Kerl und hat entsprechend eine sehr ruhige Ausstrahlung. Das imponiert Teddy sehr, und wir haben den Eindruck, er schaut sich etwas davon ab.

Viele Häuser sind seit Wochen festlich geschmückt, und auch die Innenstädte erstrahlen im Weihnachtsglanz, und das trotz der Energiekrise. Aber was wäre Weihnachten ohne Beleuchtung, ohne Schneemann und ohne Weihnachtsmann, samt Schlitten mit seinen Rentieren? 

In Schweden gibt es noch ein weiteres wichtiges Symbol für die Weihnachtszeit, den Julbock. Julbock kann als Weihnachtsbock oder Weihnachtsziege übersetzt werden, früher brachte sie jährlich die Weihnachtsgeschenke, bis sie vom Weihnachtsmann abgelöst wurde.

Auch in der nordischen Mythologie hat die Ziege eine große Bedeutung und steht als Symbol für Macht und Fruchtbarkeit, denn auch der Wagen des Donnergottes Thor wurde von zwei Ziegen gezogen.

Seit 1966 wird jedes Jahr in Gävle, zu Beginn der Adventszeit, der größte Julbock des Landes aufgebaut. Die Ziege ist aus Stroh in Handarbeit gefertigt. Sie wiegt drei Tonnen, ist 13 Meter hoch und 7 Meter lang, der Bau dauert hunderte von Stunden und wurde schon im Guinness Buch verewigt. 

Bis heute blieb der Bock lediglich 13 Mal völlig unversehrt.

In den restlichen Jahren wurde er auf kreativste Art und Weise zerstört. Obwohl das Zerstören des Bocks eine Straftat ist und eigentlich kein Teil der Geschichte, könnte man meinen, dass es sich zu einer Art Tradition entwickelt hat. 

Schon im ersten Jahr 1966 ging der Bock in der Silvesternacht lichterloh in Flammen auf.

Viele weitere Zerstörungen folgen. Am häufigsten wurde der Julbock in Brand gesetzt: oft schon während der Bauphase, 6 Stunden nach Einweihung, am Tag der Heiligen Lucia, dem schwedischen Lichterfest oder an den Weihnachtstagen; unter anderem mit einem brennenden Pfeil. Der Bock wurde aber nicht nur angezündet, er wurde von einem Auto angefahren, in Stücke gerissen und war Objekt einer geplanten Entführung per Helikopter, die im letzten Moment gescheitert ist.

Die Stadt lässt sich aufgrund heimtückischer und kreativer Angriffe immer wieder neue Maßnahmen einfallen, um den Bock zu schützen. Wachdienst, Überwachungskameras, feuerfeste Schutzschicht, Umzäunungen. Mittlerweile lässt die Stadt sogar zwei Exemplare anfertigen, und der Julbock hat einen eigenen Livestream und einen Twitter-Account.

 

https://www.visitgavle.se/en/gavlebocken 

 

Aber auch all diese Maßnahmen haben ihre Tücken und Schwachstellen. Über Zäune kann man klettern, Kameras hacken und der Wachdienst kann seine Augen auch nicht immer überall haben. Erst zuletzt wurde der Bock im Jahr 2021 zerstört, der Täter wurde gefasst und mit einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 SEK (umgerechnet knapp über 9.000 Euro) und einem Gefängnisaufenthalt von 6 Monaten bestraft. Ob der Julbock dieses Weihnachten unbeschadet übersteht? Wetten können angenommen werden.

 

Auch hier in Kalix wurde ein kleines Exemplar aufgestellt, das mit Sicherheit gut durch die Weihnachtszeit kommt. Es ist schließlich nicht aus Stroh.

Im Radio gibt es einen Sender, der 4 ganze Wochen lang bis Weihnachten nur Weihnachtslieder spielt. 

Wir hören ihn bei jeder Fahrt mit unserem Van, und man kommt mit all dem Schnee, der hier mittlerweile liegt, unweigerlich in unglaubliche Festtagsstimmung.

In den Städten und Dörfern hier in Nordschweden gibt es an den Adventswochenenden regelmäßig Weihnachtsmärkte, die aber alle nur ein paar Stunden am Nachmittag geöffnet haben. Leider werden auch viele davon kurzfristig abgesagt, da es nicht genügend Anmeldungen unter den Ausstellern gibt. In Südschweden hingegen gibt es, wie in Deutschland, über einen längeren Zeitraum in vielen Städten Weihnachtsmärkte.

 

Weihnachten ist die Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit - und des Naschens. Auch die Schweden lieben Süßes. Neben den klassischen Gebäckteilchen, den Lördagsgodis (Samstags-Süßigkeiten), die man sich in einem riesigen Regal aus verschiedenen Sorten selbst zusammenstellen kann, gibt es Kekse, Schokolade und Pralinen,und natürlich jede andere Knabberei. Eigentlich nichts besonderes.

Aber woran merkt man hier, dass es in großen Schritten auf Weihnachten zugeht?

Neben besonderen Pralinenschachteln, die Palettenweise im Supermarkt aufgebaut werden, gibt es Unmengen an Lebensmitteln, die mit weihnachtlichen Gewürzen verfeinert sind: Weihnachtstoast, Weihnachtsknäckebrot, Weihnachtschips, um nur ein paar zu nennen.

Gerne werden auch Pepperkakor Kekse, die wohl beliebtesten Gewürzplätzchen, gegessen. Marzipan und salziges Lakritz darf man in der Liste der Nascherei nicht vergessen.

Glühwein heißt hier Glögg, und auch den gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen, unter anderem mit Lakritz.

Sogar manche Bonbons und Gummibärchen sind mit salzigem Lakritz gefüllt. 

Für Thorsten als Gummibärchenfreund ein echtes Gräuel.

Umso größer ist die Freude über die Nachricht, die wir aus der Heimat erhalten. Bald erreicht uns ein Weihnachtspaket aus Deutschland, das voll mit allerlei Leckereien ist. Natürlich sind auch echte Gummibärchen darin enthalten. Und ein paar Lebkuchen, denn die haben wir hier in Schweden leider in keinem Laden gefunden. 

In Schweden gibt es kaum Geschäfte, die am Wochenende geschlossen sind. Da dies auch für Sonn- und Feiertage gilt, haben Lebensmittelgeschäfte auch über Weihnachten und Neujahr für einige Stunden ihre Türen geöffnet.

Eine Überraschung jagt die nächste. Spontan, wie unsere Freunde Rosi und Matthias sind, haben sie einen Flug nach Nordschweden gebucht, um mit uns gemeinsam ins neue Jahr zu starten. Wir freuen uns riesig und wünschen uns für die gemeinsamen Tage ein wenig Magie des Nordens. Vielleicht haben wir Glück und können auf Polarlicht-Jagd gehen.

 

Unsere Tage verbringen wir mit spannenden Fotosafaris in der Umgebung bei richtig tiefen Temperaturen. Wir lernen, wie man mit einem Feuerstahl ein richtiges Lagerfeuer entfacht, und schippen sehr viel Schnee. Mittlerweile haben wir eine ca. 40 cm dicke Schneedecke, Tendenz steigend. 

Eine Sache ist uns somit sicher: endlich weiße Weihnachten!

 

Die Zeit vergeht wie im Flug, heute ist Heiligabend, und wir haben draußen -24 Grad. 

Das Paket aus Deutschland hat uns völlig unbeschadet erreicht. Der Versand hat insgesamt neun Tage in Anspruch genommen. Wenn man bedenkt, dass es noch zwei Tage im deutschen Lager herumgeschwirrt ist, ging die Zustellung enorm flott.


 Über die Feiertage lassen wir uns nun alle Leckereien am selbst entzündeten Lagerfeuer schmecken. Das gibt ein süßes Fest!



Wir wünschen euch allen schöne und besinnliche Feiertage! 

Fröhliche Weihnachten oder, wie man in Schweden sagt, God Jul! 


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