Nach unvergesslichen Momenten in Nattavaara geht es für uns weiter in Richtung Küste. Es liegen 160 Kilometer vor uns, davon führen allein ca. 100 über eine unbefestigte Straße. Auf dem Weg kommen uns nur eine Handvoll Fahrzeuge entgegen. Jeder einzelne Fahrer von ihnen winkt uns lächelnd zu.
Es ist Ende September und wir landen in Sangis, einem kleinen Ort nahe der Ostseeküste unweit der finnischen Grenze. Hier wollen wir ein paar Tage auf dem Stellplatz an der E4 verbringen und endlich mal wieder duschen. Eigentlich eine alltägliche Sache. Wenn man aber länger unterwegs ist, lernt man viele Dinge aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen, und so kann eine warme Dusche schnell zu einem Luxusgut werden. Tolles WLAN gibt es hier auf dem Platz auch, und so nutzen wir die Möglichkeit und arbeiten an unserer Galerie und unserem Reiseblog. Seit Beginn unserer Reise hat sich da eine ganze Menge Material angehäuft und wir sind nie wirklich dazu gekommen, daran zu arbeiten. Die Reise bisher war täglich von so vielen Eindrücken geprägt, dass einfach keine Zeit dafür da war, um am Laptop zu sitzen.
Da wir ein paar Tage den Motor gezielt auslassen, starten wir mit einer Wanderung in den Tag und arbeiten am Nachmittag an unserer Webseite. Ein Großputz ist auch fällig und alle Schränke und Schubladen inklusive Heckgarage werden ausgeräumt, sauber gemacht und bei der Gelegenheit auch gleich entrümpelt. Auch nach so langer Zeit unterwegs gibt es immer wieder Optimierungspotenzial in all den Fächern und Aufbewahrungskörbchen. Thorsten nutzt den Moment und sortiert all seine Kabel. Mittlerweile hat er, dank etlicher Besuche in skandinavischen Elektrofachmärkten, viele davon. Seine Ausstattung ist hervorragend und er kann jetzt so eigentlich alles aufladen und anschließen, was der Markt so hergibt. Ladekabel für unsere Innenraumbeleuchtung, Powerbank, die Kamera, unsere Handys, ein Verlängerungskabel für außen, eines für innen, eine Mehrfachsteckdosenleiste und nicht zu vergessen das Multifunktions-Ladekabel und die Schnelllade-Box. Er ist glücklich, wie man unschwer erkennen kann, der kleine Technikfreak.
Abends besprechen wir unsere weitere Reise durch Europa. Unser Plan, wir fahren durch Finnland nach Helsinki, nehmen dort eine Fähre ins Baltikum und im Winter sind wir dann voraussichtlich schon in Griechenland.
Die Alternative? Ein Winter in Skandinavien.
Bis wir eine Entscheidung treffen, nutzen wir die Zeit und trainieren mit unserem vierbeinigen Schnösel. Er lässt sich aktuell jeden Tag etwas Neues einfallen, um uns in den Wahnsinn zu treiben. Dieses Mal hat er total Freude daran, Fahrräder und Autos zu jagen. Wir gehen ab sofort immer mit einer gefüllten Wasserflasche aus dem Haus. Natürlich dient die Flasche nicht als Wurfgeschoss, sondern als Wasserspeier, um dem jungen Wilden mit jeder Ladung Wasser gehörig auf die Nerven zu gehen. An der Schleppleine flippt er immer noch aus und das Fuß-Laufen will auch noch nicht so richtig sitzen, aber immerhin weiß Teddy mittlerweile genau, was man von ihm möchte. Das hormongesteuerte Pubertier ist aber leider aktuell oft in der „Ich hab kein Bock Phase“. Aber – wir arbeiten daran. Der Einsatz der Wasserflasche bei Wind und Wetter bringt auf jeden Fall schon nach kurzer Zeit Erfolge. Das Jagen von Autos und Fahrrädern ist erstmal vorbei.
Und wenn wir gerade vom Wetter sprechen …
innerhalb weniger Tage wechseln die Jahreszeiten von Sommer auf Herbst. Etwa 2/3 von Schwedens Fläche ist mit Nadelwäldern, bestehend aus Fichte und Kiefer, bedeckt. Birken, die als sehr widerstandsfähig gelten, zaubern um diese Jahreszeit mit ihrem gelben Farbenkleid einen wunderschönen Kontrast in die immergrünen Wälder. Am Morgen und am Abend beginnen die ersten Nebelschleier in der Dämmerung über die Flüsse und Seen zu ziehen. Es ist unglaublich schön zu sehen, wie sich die Natur langsam auf die kalte Jahreszeit und den Winterschlaf vorbereitet. Bereits nach wenigen Tagen ist das gesamte Blattwerk gefallen, und die Bäume präsentieren ihre kahlen Äste.
Obwohl die Temperaturen mittlerweile einstellig sind und wir nachts an manchen Tagen schon den Gefrierpunkt erreichen, sitzen wir am 04. Oktober, dem Zimtschnecken-Tag, (kanelbullens dag auf Schwedisch), draußen und lassen uns das süße Teilchen zu einem Kaffee schmecken.
Die Kaffeepause wird hier “Fika“ genannt. Sie ist jedem Schweden heilig und es gibt sie mehrmals am Tag. Wenn ihr also mal in Schweden seid und euch jemand freundlich fragt: „Vill du fika?“, hat das in der Tat keinerlei anstößige Absichten, es ist lediglich eine Einladung zu Kaffee (und Kuchen).
Wir finden es eine schöne Tradition und führen sie auch bei uns ein. Thorsten trinkt schon immer gerne Kaffee, und ich als Teetrinker finde langsam auch Gefallen an dem schwarzen Gold. So probieren wir uns einmal durch die schwedischen Kaffeesorten aus dem Supermarkt durch.
Wenn man in Schweden Kuchen serviert, dann wird er im Ganzen auf den Tisch gestellt. So kann sich jeder selbst ein großes oder kleines Stück abschneiden. Das letzte Kuchenstück bleibt selbstverständlich auf dem Teller liegen, sonst gilt man auch hier als Nimmersatt. Falls man den Kuchen doch mal in deutscher Manier in 12 gleiche Teile schneidet, kann man schonmal einen fragenden Blick ernten. So ist das – andere Kulturen, andere Sitten.
Während der Zeit in Sangis treffen wir wieder viele tolle Leute. Unter anderem lernen wir im Supermarkt einen älteren Herrn kennen, mit dem wir über eine Stunde einen Plausch zwischen Gemüse und Gebäck halten. Er ist 89 Jahre alt, unterhält sich in perfektem Englisch mit uns und ist begeistert über unser Abenteuer, in das wir nun vor über 3 Monaten gestartet sind. Wir kaufen gemeinsam ein, und am Ende bestaunt er unseren Camper mit leuchtenden Augen.
Auf dem Stellplatz ist immer etwas los. Neben uns steht ein deutscher Kapitän, mit dem wir uns öfter mal zum Kaffeeplausch vor unseren Häusern auf vier Rädern verabreden. Bei jedem Treffen hält er viele interessante und vor allem auch lustige Geschichten bereit.
Die Zeit vergeht hier wie im Flug und wir stellen fest, dass wir ganze drei Wochen auf dem Platz der zwei liebenswerten und hilfsbereiten Schweizern verbracht haben. Am Ende unseres Aufenthalts wird uns das „Du“ angeboten und wir reisen nach einem herzlichen Auf Wiedersehen weiter.
Wir sind glücklich, denn unsere Winterplanung steht inzwischen fest! Wir wollen weiße Weihnachten feiern, riesige Schneemänner bauen und den Polarlichtern hinterherjagen. So folgen wir also wie so oft unserem Bauchgefühl und planen den Winter hier in Schweden zu verbringen. In unserem Kastenwagen werden wir es bei Temperaturen von bis zu -30 Grad nicht aushalten und so machen wir uns auf die Suche nach einem passenden Winterquartier.